Im Test: Thief

Ich bin der Schrecken der die Nacht duchflattert. Ich bin der Pickel, der sprießt, wenn du mit deinem Liebling ein Rendezvous hast! Ich bin der eingewachsene Zehennagel in deinen zu engen Ausgehstiefeln! – Ich bin DARKWI… äh… GARRETT, DER MEISTERDIEB!

Ein verrückter Baron, der seine Untertanen unterdrückt, die zudem an mysteriöser „Schwermut“ erkrankt sind, ebenso mysteriöse „Urkräfte“ und ein Held im Korsett? Das könnte eine gute Mischung für ein exzellentes Abenteuerspiel ergeben. Nun… vielleicht bis auf das Korsett.

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Thief, die Freiheit nehme ich dir!
Nachdem es im Spiel hauptsächlich darum geht, dass Garrett in der im Prinzip sehr großen Stadt auf leisen Sohlen unterwegs ist, könnte man vielleicht parallelen zu Assassins Creed ziehen. Jede Menge Hausfasaden die sich zum Hochklettern eigenen, eng stehende Gebäude, die einem die Möglichkeit von Dach zu Dach zu hüpfen, patrouillierende Wachen und jede Menge Kram, zum Verstecken. Zudem ist Garrett mit einem ziemlich praktischen Greifhaken ausgerüstet, der ihm das Klettern enorm erleichtert, nur…

…leider gibt einem EIDOS bei weitem nicht mal annähernd die Freiheit, sich so zu Bewegen, wie in Assassins Creed! Was für eine Schande! Während Ezio flink wie ein Wiesel jeden Mauervorsprung nutzen kann, um sich aus dem Staub zu machen, steht Garrett da wie der dicke Junge im Sportunterricht, dem schon beim ersten Versuch das Hochreck zur erklimmen, die Puste ausgeht. Was zur Hölle hat man sich dabei gedacht?

Garrett kann nur an bestimmten Stellen sein Kletterzusatz verwenden (diese werden freundlicherweise durch schon vorhandene Kratzspuren erkenntlich gemacht, beziehungsweise: sie leuchten blau, wenn man seinen Fokusblick aktiviert). Freilich darf er auch an Kisten und ähnlichen Kram hochklettern, aber auch nur wenn diese vom Gamedesigner dafür freigegeben worden sind. Alles Andere sind unbezwingbare Hindernisse. Und dann gibt es noch den Greifpfeil, den Garrett mit seinen Bogen abschießen kann, um dann mittels dem am Pfeil hängenden Seil hochzuklettern. Allerdings kann dieser Pfeil aber auch nur in bestimmte Balken geschossen werden.

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Die einzige Chance sich also einigermaßen unerkannt sich durch die Stadt zu bewegen, besteht also darin, sich duckend durch die Schatten zu bewegen. Der Weg durch die Stadt wurde extrem eingeschränkt, ohne all den Freiheiten, die man in Assassins Creed genießt.

Und wo wir schon bei „Freiheiten“ sind. Wer denkt, dass man sich in der Stadt frei bewegen kann, der irrt gewaltig. Lediglich abgegrenzte Abschnitte lassen sich besuchen. Vorrangig jene, welche zur aktuellen Mission gehören. Betritt man einen anderen Bereich (selbst wenn dieser zur aktuellen Mission gehört), muss man erstmal den Ladebildschirm abwarten, was (auf der PS4) schon mal bis zu einer halben Minute dauern kann. Diese anderen Bereiche müssen nicht zwangsläufig andere Stadtteile sein. Selbst das Betreten und Verlassen des Unterschlupfs des Hehlers Basso (einer eurer Auftraggeber und enger Vertrauter), nimmt bis zu einer halben Minute in Anspruch! Das bremst den Spielfluss ungemein aus.

Oh? Wer hat denn seinen Geldbeutel hier liegen lassen? In einem Vogelnest? Auf dem Dach?
Zwischen den Missionen, beziehungsweise auf den Weg zum Missionsziel, kann sich Garrett sein Taschengeld ein wenig aufbessern, in dem er alles mögliche einsackt, was sich irgendwie zu Geld machen lässt. Am erfolgreichsten ist man natürlich, wenn man in ein Haus einbricht und dort vom Füller, über silbernen Flachmännern, Tintenfässer, Becher, bis hin zu Kämmen alles einsackt. Benutzt man seinen Fokusblick, findet man vielleicht sogar verborgene Geheimfächer, oder Tresore, die dann mittels Dietrich-Minispiel geknackt werden. Alles was der Langfinger mitgehen lässt, wird übrigens auf magische Weise sofort zu Geld gemacht. Man muss also nicht mit einem schweren Sack beladen beim Hehler vorbeischauen, um dort dann seine heiße Ware feilzubieten.

Aber selbst wenn man sich nur in den Straßen bewegt, kann man allerhand wertvollen Krempel einsammeln: Flachmänner, Tintenfässer, Füller, Becher… Scheren…Kerzenständer… wirklich erstaunlich, was die eigentlich so verarmte Bevölkerung so alles liegen lässt. Selbst hoch oben auf den Dächern kann man noch Geldbeutel finden. In den Nestern von wohl ziemlich kräftigen Elstern. Und wem das noch nicht reicht, der Schraubt einfach die Infotafeln an den Sehenswürdigkeiten der Stadt ab.

Mit dem Geld kann man dann bei zwielichtigen Gestalten (die sehen übrigens immer gleich aus) sich mit Ausrüstungsgegenständen eindecken: Angefangen von diversen Pfeilen (Feuerpfeile um den Gegnern einzuheizen, Wasserpfeile um Fackeln aus der Entfernung auszupusten, schwere Rüstung durchbohrende Pfeile…), über Werkzeuge (Schraubenschlüssel, Zangen etc) um noch den letzten Kram zu erbeuten, der mit bloßen Händen nicht erreichbar ist, bis hin zu Rüstungsgegenständen, Nahrungsmitteln… das übliche eben, um sein Leben etwas zu verlängern, wenn es wieder hart auf hart kommt.

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Missionen mit Thief-gang
Die Handlung von Thief selbst ist allerdings ziemlich gut gelungen. Garrett ist nicht nur auf der Suche nach seiner Freundin Erin, die auf mysteriöse Art und Weise verschwunden ist (sie crashte in die „Party“ einiger Religionsfanatiker), sondern kämpft auch noch gegen einen durchgeknallten Adeligen, der einerseits die an sich mittelalterliche Welt mit modernen Kram (für „Steampunk“ reichts allerdings noch nicht wirklich…) wie Strom erleuchtet und billige Arbeitskräfte durch Roboter ersetzt, andererseits aber ein ziemlicher Despot ist und sich im Prinzip einen feuchten Kehricht um das Wohl seiner Bevölkerung kümmert, die ohnehin schon an einer mysteriösen Krankheit leidet, die „Schwermut“ unter den Betroffenen verbreitet. Das Volk lässt sich das allerdings auch nicht länger gefallen und machen im Verlauf der Story ihren Unmut Luft.

Als Meisterdieb muss Garrett nun für Basso diverse Gegenstände einsammeln, wie etwa den Plan des Burgfrieds (in sich auch ein riesiger Tresor, der geknackt werden möchte befindet), oder auch ein geheimnisvolles Buch besorgen muss. Im Prinzip die typischen „Langfinger-Missionen“. Dabei gibt es aber immer verschiedene Möglichkeiten, diese zu bewältigen. Entweder auf Samtpfoten, wie ein „Phantom“, als „Jäger“, der nicht davor zurückschreckt, seinen Weg mit Leichen zu pflastern, oder mehr so dazwischen als „Opportunist“. Grundsätzlich aber sollte man sich doch in den Schatten bewegen, da man leicht ins Gras beißt, wenn die Gegner die Überhand gewinnen, denn — wie oben erwähnt — in den Schlauchleveln entwischt man eben nicht so elegant wie in Assassins Creed. Wer Glück hat, der findet noch einen Schrank, in dem man sich verstecken kann, aber je nachdem wie hoch der gewählte Schwierigkeitsgrad ist, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Soldaten auch hier nachsehen werden.

Total „spooky“ wird es dann auf der Insel „Moira“, wo man sich in einer verlassenen „Heilanstalt“ auf die Spuren der verschwundenen Freundin begibt. Hier schlägt Action schlagartig in „Grusel“ um. War man vorher noch im Schatten sicher, sollte man sich hier lieber dort aufhalten, wo es genügend Licht gibt.

Wem die Story-Missionen nicht reichen, der darf auch zahlreiche weitere Nebenmissionen in Angriff nehmen und wer das Letzte aus dem Spiel herauskitzeln möchte, der macht sich auf die Suche nach den überall im Spiel versteckten Sammelkram, um die Vitrinen im eigenen Unterschlupf zu füllen. Zu tun gibt es wirklich eine Menge…

…und wer dann immer noch eine Herausforderung sucht, der darf sich mal am höchsten Schwierigkeitsgrad probieren. Der Herausforderung besteht darin, keinesfalls entdeckt zu werden, auch Tötungen werden nicht geduldet und gibt man den Löffel ab, bedeutet dies auch, dass das Spiel zu Ende ist. Wagemutige und wahrhafte Meistediebe, dürfen sich hier mal im „Speed-Schleich“ versuchen…

Fazit:

Thief hinterlässt gemischte Gefühle. Vom Prinzip her hätte man einen absolut packenden Titel abliefern können, aber das Gefühl, mehr oder weniger in einer Schuhschachtel zu agieren, ist dann doch eher ernüchternd. Um wieviel toller hätte das Spiel sein können, hätte man sich doch mehr von Assassins Creed abgesehen! Ein Meisterdieb, der dermaßen in seinen Bewegungsumfang eingeschränkt wird, macht stellenweise keinen Spaß und hinterlässt ohnehin ein Jucken im Kopf. Auch wenn Thief vortäuscht, dass man sich frei bewegen kann, muss man doch strengen Pfaden folgen, um ans Ziel zu kommen.

Wirklich hervorragend ist die deutsche Umsetzung geworden, seien es die Sprecher für die Charaktere, oder auch die aufgenommenen und zahlreichen Sätze, die die NPCs von sich geben. Mitunter ist es ganz unterhaltsam, wenn man sich mal die ein oder andere Minute Zeit nimmt und den Gesprächen folgt.

Thief ist so leider ein Titel mit verspielten Potential und sprichwörtlichen Schattenseiten und verpasst leider die Positionierung im Spitzenfeld.

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