Nach(t)gedanken zu No Man’s Sky

Entwickler stellen auf einer Messe mit einem epischen Trailer ihren neuen Titel an. Die Masse wirft vor lauter Freude ihre Schlüpfer auf die Bühne. In Interviews erzählen Entwickler, was so alles auf ihrem Konzept-Papier steht und vielleicht in irgendeiner Form im Spiel landen wird. Der Hype baut sich langsam weiter auf. Es werden Videos von Prototypen mit unglaublich guten Grafiken veröffentlicht und es gibt Features zu sehen, bei denen man nur mit den Ohren schlackern kann. Überall ploppen nun diverse Artikel auf, in denen die verzauberten Schreiberlinge, die auch nur meist das kennen, was andere auch schon im Interwebz gesehen haben, ihren Beitrag zum anlaufenden Hype beitragen. Der Erscheinungstermin rückt näher. Das Spiel wurde natürlich schon lange vorbestellt. Dementsprechend groß ist die Vorfreude und vermutlich ebenso groß ist die Anspannung unter den Entwicklern, die unter Hochdruck versuchen, das Spiel pünktlich in den Laden zu bringen … möglichst frei von Bugs, was aber in der heutigen Zeit pures Wunschdenken ist, wie wir wissen (oder wissen sollten). Kurzfristig wird das Spiel noch verschoben. Für die Feinpolitur. Nun beginnt die Achterbahnfahrt der Gefühle unter allen, die seit Jahren sich Poster an die Wand kleben, jeden noch so kleinen Artikel ins Poesiealbum (Facebook) kleben und ihren nicht unbedingt überzeugten Freunden schon tierisch auf den Sack gehen, mit ihren andauernden Schwärmereien.

Dann ist es endlich soweit. RELEASETAG!!11elf Der Altar zum Spiel wurde noch kurz abgestaubt, die Spielumgebung wird behutsam vorbereitet, mit Nahrungsmittel ausgestattet, da man Unterbrechungen während des Spielens vermeiden möchte und sei es, um nur kurz in die Küche zu rennen (Toilettengänge werden strikt durchdacht). Man nimmt das Licht, startet die Konsole, nimmt behutsam den Datenträger aus der Hülle und führt ihn sanft in das Laufwerk ein (Käufer der digitalen Version, erleben diesen erhabenen Augenblick leider weit weniger intensiv) und …


Iocus interruptus!

Ein Bug nach dem anderen versaut die Spielfreude. Abbrüche… immer wieder. Und wo sind eigentlich all die schönen Dinge, die man vorher versprochen hatte? Alles nur mehr Schein als Sein? Der Morgen danach, wenn die PR-Blase ihr Makeup entfernt und der berauschende Nebel sich gelegt hat, lässt viele Träume platzen. Manch einer lässt der Wut freien lauf und so kreiert man unzählige Videos, oder Texte, in denen man (meist unreflektiert) so richtig Dampf ablässt…

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And Now for Something Completely Different… No Man’s Sky!

Ich weiß nicht, wie viele Sols ich schon auf den zig Planeten verbraten hab, stets auf der Suche nach dem letzten Tier, das sich vermutlich irgendwo im giftigen Ozean versteckt hält, oder auf der Suche nach kostbaren Rohstoffen, teilweise mit nachfolgender Flucht, da man wieder ein paar Wächter verärgert hat. Seltsam. Auf dem Nachbarplaneten hat es diese fliegenden Dinger keinen Feuchten interessiert, als ich vor deren Nasen den Berg voll Gold abgetragen hatte. Vermutlich waren sie der Meinung, dass die erhöhte Strahlenbelastung mich ohnehin umbringen wird…

Teilweise verbrachte ich tatsächlich Stunden auf einem Planten, um jeden Winkel zu erforschen (und nebenbei natürlich ein paar Trophies abzustauben), weil es mich wirklich interessierte, was hier so alles kreucht und fleucht… auf dem riesigen, unerforschten Planeten… der eine erstaunlich Hohe Dichte an Masten, Unterschlüpfen (teilweise sogar bewohnt) und andere Relikte vergangener (und existierenden) Zivilisationen aufweist. Ziemlich viel Technik für einen unerforschten Steinhaufen im schier endlosen Weltall. Aber es hat so seine praktische Seite, da man sich so das Erstellen eines Lagers sparen kann, Oh wait… war das nicht ein Feature, das man uns noch zu Beginn versprochen hatte? Naja… wird eben später nachgereicht.

Viel tragischer ist jedoch die Tatsache, dass No Man’s Sky unverhältnismäßig oft die Grätsche macht. Blöd, wenn man gerade viel erforscht, aber nicht bei einem der Masten kurz gespeichert hat. Dann startet man neu und… ein Absturz! Wieder rein ins Spiel, kurz im Pause-Menü nachsehen, ob die gescannten Tiere und Pflanzen noch… Absturz! – Wohl gemerkt: Das alles NACH einem DayOne Patch (eine wahre Unsitte heutzutage). Ein folgender Patch reduzierte immerhin die Anzahl unerwarteter Abstürze ein wenig. Dennoch: Hin und wieder kommt es eben doch vor, was gewaltig nervt.

Doch dies hat mich noch immer nicht davon abgehalten, weiter in den Weltraum vorzudringen. Siegessicher klappere ich Atlas-Stationen ab, fliege von Planet zu Planet, um zu sehen, was die prozedural generierte Spielwelt potentiell zu bieten hat.

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Und ja: No Man’s Sky ist ein gewaltiges Grind-Fest! Asteroiden für Rohstoffe (Treibstoff) zerkleinern und verkaufen, Planeten stundenlang nach wertvollen Ressourcen abgrasen und ständig seinen Raumanzug und Schiff mit Energie versorgen, damit man die harten Bedingungen überlebt, bzw. vom Planeten wieder abheben kann… langweiliger Kram eigentlich. Damit’s nicht ganz so langweilig wird, gibt’s vertraute Wissenssteine, Ruinen alter Zivilisationen und kleinere “Logikrätsel” in den diversen Basen, die man in regelmäßigen Abständen auf den verschiedenen Planeten findet, mit denen sich neue Wegpunkte (zB auch abgestürzte Raumschiffe) freischalten lassen.

Verlässt man den Planeten und füllt den Buch des Raumschiffs mit Rohstoffen, lockt mal gerne mal Piraten an, die auf reiche Beute aus sind. Ab und an gibt es kleinere Übergriffe feindlicher Schiffe, die die im Planetensystem verteilten Raumfrachter angreifen. Eine kleine Ablenkung zum “alltäglichen” Rohstoffschürfen.

Aber ist das eigentlich das Spiel, das jeder erwartet hat? Hier spalten sich die Geister (entweder man mag es… oder man mag es nicht).

Während einige enttäuschte Spieler auf die Barrikaden gehen und Gift und Galle spucken, sehen es viele eher gelassener und sind mit dem Ergebnis zufrieden, denn grundsätzlich kann wohl niemand verneinen, dass No Man’s Sky her grundsätzlich ein geniales und einzigartiges Stück Software ist: Unzählige Planeten, mit je (mit Augenzwinkern) unterschiedlicher Flora und Fauna. Alles zufällig generiert, dazu die spielerischen Freiheiten. Wo gab es dies jemals schon?

Und natürlich kann man sich fragen, ob man bei Hello Games wissentlich geflunkert hat, oder einfach nur schlecht in Sachen PR ist. Freilich hätte es sein können, dass es in irgendeiner Pre-Version von No Man’s Sky möglich war, auf einem Asteroiden zu laden. In die finale Version schaffte es dieses Features nicht, weil es vielleicht absolut keinen Sinn gemacht hätte. Warum auch? Aussteigen und sich selbst den Boden unterm Hintern wegschießen, um die Rohstoffe zu ernten? Trotzdem heult ein kleiner Teil enttäuschter “Fans” deswegen rum.

Und wo ist das Feature geblieben, mit dem man im Prinzip jedes x-beliebige (Grund)Element hätte herstellen können? – Auch hier die Gegenfrage: Klingt gut auf dem Papier, aber macht das in der Realität auch Sinn? Wird dadurch nicht alles komplizierter? Ein “Spiel” muss in gewisser Hinsicht für ALLE gleich “spielbar” und “zugänglich” sein, oder nicht?

Die Liste fehlender Features, lässt sich beliebig weiterführen und ebenso die Diskussionen, ob es sich hierbei um “wirkliche Verluste” handelt, oder um Features, deren Fehlen man verkraften kann, ohne das die eigentliche Grundidee des Spiels darunter leidet (wie etwa der nicht vorhandene “Multiplayer”-Modus, der zwar in irgendeiner Form (ähnlich wie in “Journey”) hätte vorhanden sein sollen, faktisch aber gekürzt wurde. Ehrlich gesagt ein Feature, das ich persönlich null vermisse.

Wenn man sich schon beschweren möchte, dann über “logische Fehler”, wie die immer gleiche Schwerkraft auf den Planeten (und dann auf schwebende Felsblöcken trifft), oder warum man mit einem Exosuit, mit x Überlebensmechanismen im Wasser ertrinken kann. Dabei gibt es auch dort einiges zu entdecken.

Was ich eigentlich sagen will:

Ja, No Man’s Sky hat einige Macken und lieber hätte man noch einen Monat (oder so) länger auf den Release gewartet, damit man das Spiel ohne Abbrüche spielen kann. Was mir aber tierisch auf den Sack geht (und das betrifft eigentlich alle Spiele, die im Vorfeld einen unfassbaren Hype erleben), ist das unendlich nervige Geheule enttäuschter “Fans”. Erstaunlich aber auch, wie viel Zeit manche Leute besitzen, um ellenlange Videos zu produzieren, wo man den Entwicklern jede Kleinigkeit ankreidet und sie als erbärmliche Lügner darstellt.

Vom Konzept bis zum finalen Produkt ist’s ein weiter Weg. Kann man nicht lieber ein Endprodukt als solches bewerten, wie wir es final erhalten? Ganz ohne Hype-Rausch? Es scheint manchmal so, als ob viele “Gamer” sich persönlich angegriffen fühlen, wenn “Feature X” es nicht ins Spiel geschafft hat. Manch einer fühlt sich gar “bestohlen”.

Dabei ist die Lösung doch so einfach: Hört mit dem unsinnigen gehype auf! User generierter Hype ist natürlich super für den Publisher/Entwickler, da hier kostenlos Werbung betrieben wird, für die man ansonsten wahnsinnig viel Kohle verpulvern müsste. So ist eine gesunde Portion davon an sich schon gesund, nicht allerdings für denjenigen, der dadurch eine unfassbar hohe Erwartungshaltung damit generiert. Enttäuschungen sind so quasi vorprogrammiert. Anstatt den Fehler in den eignen, überzogenen Vorstellungen zu suchen, greift man in den sozialen Netzwerk das Entwicklerteam an.

Hello Games ist ein kleines, aber unheimlich ambitioniertes Studio. Man stelle sich vor, was ein Team von Rockstar, das weitaus mehr Möglichkeiten hat (nicht nur Geld, sondern auch was Manpower betrifft), hätte anstellen können, aber darum geht es ja nicht (zwingend). No Man’s Sky ist, so wie es ausgeliefert wurde (und hier wiederhole ich mich gerne) ein ausgezeichnetes Spiel (mit Macken), das man über Monate zocken kann und dennoch stets etwas Neues entdecken wird. Natürlich gehört dazu eine große Portion Grinden (Sitzfleisch) dazu. Keine Frage.

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tldr;

Hört auf zu Jammern (wobei man sagen muss, dass die Zahl derer, die sich derart beschweren wie immer eine kleine Gruppe darstellen, aber dafür umso lauter agieren) und lernt die Dinge wieder zu schätzen!

2 Comments

  • JaDeKi

    Ich kann dir auch nur bei pflichten. Macken hat es. Die gravierenden bugs werden/ wurden bereits in den letzten Tagen schon ausgemerzt. Es hat mir Zeitweise das Spiel fast versaut, wenn man den kram gelesen hat, was erwaretet wurde. Wir sind im Jahr 2016 die Entwickler können Fehler nachbessern und Content nachliefern.
    Nicht das einem die Möglichkeit gegeben ist bis zu einem gewissen Bodenlevel die Oberfläche des Planeten zu zerstören.
    Um das ganz hier positiv zu beenden. Zumindest der größere Teil der Leute findet die hübsche Optik und Atmosphere die jeder Planet mit sich bringt gelungen.

    LG,
    Patrick

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