Im Test: Uncharted 4 A Thief’s End

Unglaublich! 9 Jahre sind es fast her, als wir Nathan Drake zum ersten Mal auf einer seiner abenteuerlichen Schatzsuchen begleiteten. Damals wurde uns Nathan als Nachfahre des berühmt berüchtigten Piraten Sir Francis Drake vorgestellt. Was die Persönlichkeit des Helden betrifft, so war er der Archetyp des hartgesottenen Schatzsuchers (irgendwie eine Mischung aus Lara Croft und Indiana Jones), der, egal wie hart die Situation wurde, immer noch einen flotten Spruch auf der Lippe hatte. Schon damals mit von der Partie, war Nathans „alter“ Freund Sully und die Reporterin Elena. Damals konnte vermutlich noch keiner ahnen, wie sich die Beziehungen zwischen den Darstellern im Verlauf der Serie weiter entwickelten. Vom Gameplay her, hatte NaughtyDog damals das Rad nicht unbedingt neu erfunden. Action, gemixt mit haarsträubenden Klettereinlagen und fein eingestreuten, nicht unbedingt schwierigen Rätseleinlagen. Allerdings setzte man dies hervorragend und hollywoodreif in Szene,womit man spielerisch und erzähltechnisch ein spitzenmäßiges Gesamtpaket erhielt. Auch die Grafik war damals vom Feinsten. Der erste Uncharted Teil, war wohl die erste „Grafikbombe“ auf der PS3, nachdem die Konsole schon ein knappes Jahr auf dem Markt war. Uncharted gehörte definitiv zu den Titeln, die nicht nur die Konsolenverkäufe ankurbelte, sondern auch die Konsolengeneration selbst prägte, wie kein anderes Spiel.

Im zweiten Teil, Among Thieves, legt man grafisch noch eins drauf und auch Nathan wurde als Charakter etwas „runder“ und ein wenig erwachsener. Der Höhepunkt wurde allerdings mit Uncharted 3: Drake’s Deception erreicht. Nicht nur, weil es das wohl hübscheste Spiel auf der PS3 war, sondern auch wegen der unheimlich tiefen Story, die um Nathan Drake geschrieben wurde. De Charakterentwicklung stand diesmal mehr im Vordergrund, wie auch die Erzählweise des Spiels selbst. Erst im dritten Teil lernen wir die Hintergrundgeschichte des Helden kennen, erfahren von der Oberschurkin des Spiels, dass Nathan nicht der ist, der er vorzugeben scheint. Er ist eben nicht der Nachfahre des berühmten Piraten, dessen Nachname er angenommen hat. Stattdessen wuchs er im Saint Francis Boys Home auf, in das ihn sein Vater als junger Bursche abgeschoben hat. Zahlreiche Flashbacks, begleiteten den Spielverlauf. Insgesamt war der dritte Teil ein bombastischer und krönender Abschluss der Serie (wir lassen hier mal den PS Vita Titel außen vor), der Spieler und Nathan auch emotional zusammengeschweißt hat.

Der vierte Teil jedoch, setzt nun noch eins oben drauf.

Der junge Nathan

Oh Brother, Where Art Thou?

In Uncharted 4 spielt Nathan den Pantoffelhelden. Nach seiner Heirat (dreimal dürft ihr raten mit wem…), hat er sich häuslich niedergelassen und verdient seine Brötchen als Wracktaucher. Kein einfacher Job, aber es ist gut verdientes Geld und diesmal auch vollkommen legal. Nathan hat auch irgendwie keine Lust mehr auf nervenzermürbende Abenteuer, fern ab der Legalität. Dies jedoch ändert sich, als sein lange verschollener und totgeglaubter Bruder Sam wieder in sein Leben tritt.

Sam, der jahrelang im Gefängnis saß, ist in Gefahr. Findet er nicht binnen 6 Monaten den Schatz des englischen Piraten Henry Avery, muss er sich die Radieschen von unten betrachten. Nathan muss so über seinen Schatten springen, seine Frau belügen und stürzt sich abermals in ein halsbrecherisches Abenteuer, denn Familie geht schließlich vor!

Auch wenn die Story etwas stereotyp anmutend, würde ich in der ersten Spielstunde doch etwas rührselig. Man erinnert sich zwangsläufig an die vielen Abenteuer, die man mit Nathan erlebt hat (samt witzigen „Minispiel“), die vielen Stunden, die man zusammen verbracht hat, dass man nun erst merkt, wie sehr einem der Held ans Herz gewachsen ist. In Anbetracht dessen, dass A Thief’s End der (vorerst?) letzte Teil der Serie ist, doch ein emotionaler Moment. So ging es zumindest mir…

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WOAH! DIE FALTEN!!!

Wie Eingangs schon kurz erwähnt, waren die Uncharted Spiele jedes Mal eine grafische Bombe. Von Mal zu Mal wurde die Qualität des Spiels verbessert und auch die Leistung der PS3 ausgereizt. Etwas was kaum (oder kein) anderer Entwickler auf die Reihe bekommen hat. Kein Wunder, dass der vierte Uncharted Teil auf der PS4 ein absolutes Brett ist. Zwei einhalb Jahre mussten wir auf ein Spiel warten, dass einen aus den Socken haut. Warum hat das so lange gedauert?
Was NaughtyDog mit Uncharted 4 abliefert, sieht einfach nur unfassbar gut aus. Nathan Haare sind tatsächlich Haare… so blöd es sich auch anhört. Die Hauttexturen sehen nahezu Photorealistisch aus. Was aber die Figuren erst so richtig zum Leben erwecken, sind die Mienenspiele, dank der verbesserten Motion Capture Verfahren, womit sich auch beinahe jede Emotion ablesen lässt.

Unglaublich schön wurden auch die Szenarien gestaltet, die man auf der kleinen Weltreise besuchen darf. NaughtyDog hat hier besonders tief in die Licht. und Schattenspiel-Trickkiste gegriffen und sorgen für atmosphärische Eindrücke und umwerfende Postkartenidyllen. Manchmal sollte man sich, trotz der Hektik, mal die Zeit nehmen und einfach mal bewusst mit offenen Augen (und Mund), durch die Spielkulissen laufen und das bezaubernde Lichtspiel auf sich wirken lassen, besonders in Höhlen, oder Räumen kommt das Spiel mit den Lichtstrahlen besonders prächtig zur Geltung.

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Alles klar machen zum Entern!

Spieltechnisch hält NaughtyDog im Prinzip am bewährten Prinzip fest. Noch immer gibt es haarsträubende Klettereinlagen, vorbei an kleinen Vorsprüngen und Mauerelementen. Doch man hat hier einiges verbessert, um das Risiko zu vermindern, doch mal wieder blind in den Abgrund zu springen. Mal davon abgesehen, dass die Kletterpfade deutlicher „markiert“ wurden, zeigt nun Nathan mit einer kleinen Winkgeste an, ob man in die Richtung, in die man mit dem Analogstick drückt, auch wirklich sicher weiterkletternd, oder hüpfen kann.

Da die klassische Kletterei wohl auf Dauer zu repetitiv wird, baute NaughtyDog ein „brandneues“ Feature ein: Enterhaken. So darf man nun über klaffende Abgründe hinweg schwingen, größere Höhen überwinden und manchmal auch im vollen Lauf (oder Rutschen), das Seil über einen Holzbalken schwingen, um den drohenden Tod im Abgrund zu entrinnen. Indiana Jones wäre mächtig stolz.

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Natürlich dürfen die guten, alten Feuergefechte, die stellenweise für ohrenbetäubendes Getöse sorgen, nicht fehlen. Hier hat sich im Prinzip nichts geändert: In Deckung gehen, mit diversen Waffen ballern, Granaten werfen und ab und an darf man ein Geschütz benutzen. Auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad kann es schon mal vorkommen, dass man ab und an ins Gras beißt, für alle, die mit Ballern wenig am Hut haben, aber nicht darum herum kommen, gibt es mit dem einfachsten Schwierigkeitsgrad eine praktische Zielhilfe, die Gegner automatisch aufs Korn nimmt.
Apropos Gras: Wer gerne Gegner aus dem Hinterhalt erledigt, darf in den hohen Grüngewächsen wie ein scheues Bambi watscheln, um denn seinem Gegner effektvoll das Genick zu brechen. Schleichen wird in Uncharted 4 ohnehin groß geschrieben. So lassen sich einige Passagen auch völlig gewaltfrei lösen, außer man hat einen nervösen Finger am Abzug.

Damit man sich sicher sein kann, dass der Gegner auch wirklich nicht sieht, gibt es über den Kopf ein handliches Dreieck, das den aktuellen Aufmerksamkeitsstatus anzeigt. Bei weißen Status ist der Gegner die Ruhe in Person. Bei Gelb ist noch nicht alles verloren und man kann in der Deckung warten, bis der Gegner das Interesse verliert. Was passiert, wenn das gelbe Dreieck ins rote tendiert, muss ich wohl nicht näher beschreiben. Das Grundprinzip also, dass man vielleicht schon aus Assassin’s Creed kennt.

Ein kleines Upgrade erhielt auch die Gegner-KI. Diese agiert irgendwie „autonomer“ und teilweise lassen sich Gegner nicht immer so einfach erledigen. Ab und an fragt man sich allerdings doch, wie dann doch ein Feind einer einem auftauchen kann, obwohl man das Spielfeld eigentlich ganz gut im Blick hat. Insgesamt kann man es aber nur begrüßen, dass die Gegner nicht mehr in stumpfen Wellen auftreten, sondern aktiver sind und auch die Deckung suchen. Wer nicht selbst aktiv ist, wird sich so schnell ein paar Kugeln einfangen.

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Rätselspaß für die ganze Familie!

Die bekannten Rätseleinlagen sind in Uncharted 4 natürlich auch wieder mit von der Partie. Ganz so einfach möchte es uns Oberpirat Avery die Schatzsuche doch nicht machen. Wobei wirklich schwer sind die Rätsel nie und einfache Objekt-Dreh-Einlagen, sind meist so offensichtlich, dass man nicht mal einen Blick in Nathans Notizbuch (das er übrigens emsig auf der Reise aktualisiert) werfen muss.

Was mich in Uncharted schon immer ein wenig gestört hat, waren die etwas mühsamen Ausflüge in die hinterletzten Ecken des Spielareals, um auch den letzen Schatz zu finden. Während des ersten Spieldurchgangs entsteht hier immer eine gewisse „erzählerische Lücke“… der Spielfluss wird irgendwie abrupt unterbrochen. Sollte ich dennoch scharf auf ein paar Trophies sein, dann nur im weiteren Spieldurchlauf. Kann sein, dass die Schatzsucherei nur mich aus dem Konzept bringt, aber ich bin nun auch nicht mehr der Jüngste. Und es gibt wirklich eine Menge verborgener Schätze. Oft eben nicht „auf dem Weg“, sondern gerne auch mal weit Abseits der Route und manchmal auch erst durch umständliches und tödliches Klettern erreichbar.

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Mit dem Jeep durch Madagaskar

Madagaskar ist groß und viele Wege mag man auch nicht wirklich zu Fuß bewältigen. So gibt es nun in Uncharted 4 einige Jeep-Level, in denen durch teils ziemlich offen gestaltete Areal Kurven darf. Dort, wo auch der Allradantrieb nicht weiterkommt, darf man mit einer Seilwinde nachhelfen (Seile sind in Uncharted 4 wohl das größte Novum). Insgesamt sind diese Level aber enorm abwechslungsreich gestaltet. Viele Orte laden dazu ein, doch auch mal zu Fuß begutachtet zu werden (es gibt Schätzte zu finden) und dann und wann gibt es die obligatorischen Feuergefechte, die leider nicht zu 100% mit dem Jeep zu bewältigen sind (auch wenn man noch so sehr versucht, mit dem Jeep den Gegner im Turm zu überfahren).

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Instagram Content

Wo wir gerade bei der Jeep-Safari sind: Wie auch schon in anderen Spielen, gibt es auch in Uncharted 4 einen Fotomodus, mit dem man in den beeindruckenden Szenerien ebenfalls beeindruckende Screenshots schießen darf. Wer mag, darf seine Bilder mit zahlreichen Filteroptionen verfeinern, um auch wirklich das letzte aus der Grafikengine herauszuholen. Insgesamt lassen sich mit dem Tool exzellente Urlaubsbilder knipsen, die man auch ziemlich gut ausdrucken und als Poster an die Wand kleben kann.

Multiples Geballer

Wie (beinahe) gewohnt, gibt es auch in Uncharted 4 einen Multiplayer Modus, der die Kampagne abrundet und für ein längeres Spielvergnügen auch im Nachhinein sorgt. Auf bislang 8 Maps, darf man dann 4gegen4, oder auch 5gegen5 gegeneinander um die Wette klettern, ballern und Geister beschwören.

„Übernatürliches“ hatte in der Uncharted Serie schon immer einen kleinen Platz. Und so kann man nun auch im Multiplayer Modus ein klein wenig mystischen Kram aus der Hosentasche zaubern. Mittels dem Touchpad, lassen sich kleine KI „Geister“ beschwören, die den Spieler heilen, mit Munition versorgen, oder auch schon mal gerne andere Gegner auf’s Korn nehmen (was dann dem Team zu Gute kommt). Darüber hinaus, lassen sich noch altbekannte, mystische Kreaturen beschwören, für die Extraportion Zauberspaß. Ein wenig seltsam mutet dieses übernatürliche Kram dann doch an. Damit man sich mit diesen Neuerungen zurechtfindet, gibt es zum Glück ein kleines „Tutorial“, mit dessen Hilfe (und zahlreichen Herausforderungen) langsam aber sicher mit dem Multiplayer Modus warm wird.

Hat man sich eingespielt, warten auf einen die typischen Aufgaben wie etwa Deathmatch, Plündern, oder auch der beliebte „Stationen-Kampf“. Was leider noch fehlt, ist ein Koop-Modus, der allerdings im kommenden Herbst kostenlos nachgeliefert werden soll. Übrigens sollen auch alle weiteren Multiplayer Erweiterungen völlig kostenfrei angeboten werden. Mit der enthaltenen inGame Währungen, lässt sich wie gewohnt die eigene Ausrüstung aufrüsten, oder „DLC Kisten“ eintauschen. Wem das spielerische Geldverdienen zu lange dauert, darf freilich echtes Geld gegen virtuelle Waren tauschen. Spielbar sind im Multiplayer Modus übrigens beinahe alle Figuren aus den bisherigen Uncharted Teilen.

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Fazit?

Ich habe mich hier wirklich bemüht, den Text so spoilerfrei wie möglich zu gestalten. Aber so viel sei gesagt: Was die Story von Uncharted 4 betrifft, darf man einiges erwarten und vermutlich auch ein paar Krokodilstränen verdrücken. Wir erleben Nathan als verheirateten Pantoffelheld, mit vielen emotional angehauchten Ereignissen, die er mit seinem Bruder erlebt hat und sich zum letzten Mal auf sein actionreiches Abenteuer begibt, vorbei an wunderschönen Panoramalandschaften, Piratenhöhlen mit beeindruckenden Innenarchitekturen und weitere, zahlreiche, mit Leben erfüllte Orte. Knallharte Actionpassagen wechseln sich mit ruhigen Einlagen ab, mit vielen Dialogen und filmreifen Zwischensequenzen. Während in vielen Spielen die Story nur unnötiges Beiwerk ist, schafft es NaughtyDog mal wieder, erzählerisch enorm viel in ein Spiel zu packen, was man teilweise auch in Filmen vergebens sucht. Die Grafik ist mit ihren vollen 1080p Auflösung (und leider nur 30 fps) wohl das Schönste, was es derzeit auf Konsolen zu sehen gibt. Musikalisch hat man einen wunderbaren Soundtrack beigesteuert und die Dialoge wurden 1A eingesprochen. Wer nicht die ausgezeichnete deutsche Lokalisierung spielen möchte, darf natürlich jederzeit zur Originalfassung wechseln.

Hat man die vorangegangenen Teile gespielt, wird man einiges wieder entdecken. Man kann auch mit Uncharted 4 beginnen, aber wirklich empfehlen, kann man das nicht. All zu oft, würde man viel zu viele Anspielungen wohl nicht verstehen. Was Eastereggs angeht, so hat NaughtyDog übrigens noch ein besonders Schmankerl im Spiel hinterlassen.

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Ein bisschen wehmütig blickt man am Ende auf die neun Jahre mit Nathan zurück. War das wirklich schon alles? All die Jahre, in denen man mit dem Held mitgefiebert hat. Manchmal kann das Sprichwort „wenn es am schönsten ist sollte man aufhören“ ein ziemliches Arschloch. Dennoch: Uncharted 4 der (bislang) krönende Abschluss der Serie.

2 Comments

  • Dieses Spiel hat mich so gefesselt. Hab 21 Stunden in 3 Tagen gebraucht (11+5+5).
    Ich hab noch nie ein so schönes Spiel auf dem Fernseher gehabt. Das Ende fand ich mehr als zufriedenstellend. GROßARTIG!

    Danke für den tollen Test.

  • Mich hat es auch so gefesselt, dass es mich schon gar nicht mehr losgelassen hat. Unglaublich welches Potential in diesem Titel steckte. Ich kann den fünften Teil schon garnicht erwarten. Allerdings wird der wohl erst sehr spät erscheinen.

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