Im Test: Everybody’s Gone To The Rapture

Guten Abend, meine Damen und Herren! Heute sehen Sie die achte Folge unseres 16-teiligen englischen Fernsehkrimis ,Die zwei Cousinen‘. Zunächst eine kurze Übersicht über den Handlungsablauf der bisher gesendeten sieben Folgen: Auf dem Landsitz North Cothelstone Hall von Lord und Lady Hesketh-Fortescue befinden sich außer dem jüngsten Sohn Meredith auch die Cousinen Priscilla und Gwyneth Molesworth aus den benachbarten Ortschaften Nether Addlethorpe und Middle Fritham, ferner ein Onkel von Lady Hesketh-Fortescue, der 79-jährige Jasper Fetherston, dessen Besitz Thrumpton Castle zurzeit an Lord Molesworth-Houghton, einem Vetter von Priscilla und Gwyneth Molesworth, vermietet ist. […]“

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ONE – ONE – ZERO – ONE – ZERO – ONE – ONE

So, oder so ähnlich, waren meine ersten Gedanken, also ich erfuhr, dass mich „mein nächsten Abenteuer“ in Everybody’s Gone To The Rapture ins beschauliche Südengland verfrachtet. Genauer gesagt in das verschlafene Dörflein Yaughton im bezaubernden Distrikt Shropshire.

Schön ist es hier. Die Vöglein zwitschern ihre Lieder, der Wind pustet sanft durch das Blattwerk der Bäume und es scheint sogar die Sonne! Es fühlt sich an, wie ein angenehmer Herbsttag (oder Spätsommer). Doch irgendwas stimmt hier nicht so recht. Wo zur Hölle sind denn einheitlich die Einwohner hin? Noch habe ich das Gefühl, dass nicht doch einer der vielleicht gar seltsamen „Ureinwohner“ sich hinter einem Vorhang in seinem Häuschen versteckt und mich argwöhnisch betrachtet. Es macht auch niemand auf, wenn ich an die Türen klopfe.

Manche Orte scheinen übereilt verlassen worden zu sein. Es läuft das Radio und die Kippenstummeln im Aschenbecher, oder die Kohlen im Grill, qualmen noch. Aber sonst? Totenstille. Außer dem Vogelgezwitscher gibt es auch keine Anzeichen auf Haustiere. Naja, ab und an flattert ein Schmetterling vorbei und hier und da gibt’s Bienen. Aber das sind ja im Grunde genommen auch keine Haustiere, noch „höhere Lebewesen“.

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FIVE – ONE – ZERO – ONE -FOUR – ZERO

Naja… und dann ist dann noch was, was irgendwie nicht in mein Bild einer „normalen“ Welt passen möchte: Seltsame Irrlichter. Ich weiß zunächst nicht, was das Ding von mir will, ob es mir Schaden zu fügen möchte… aber anscheinend eher nicht. Irgendwie möchte es mit mir kommunizieren. Zumindest scheint es so, denn folge ich dem… Ding… führt es mich zu Plätzen, an denen es seltsam Erscheinungen gibt. In Lichtgestalt erwachen die „Bewohner“ des Dorfes zu Leben… oder zumindest wird ein kurzer Moment abgespielt, der sich in der Vergangenheit ereignete. Wie so eine Art „holographischer Anrufbeantworter“.

Irgendwas mysteriöses ist hier passiert. Aber ich erfahre nur bruchstückhaft aus den Gesprächen der Einwohner, worum es ging, beziehungsweise deren Einschätzung. Das Dorf wurde unter Quarantäne gesteckt. Aber keiner weiß, ob es sich um ein Grippevirus handelte, oder um etwas schlimmeres. Fakt ist, dass Nasenbluten zumindest ein Indikator ist, begleitet von schweren Kopfschmerzen, dass man betroffen ist. Hier und da finde ich im Verlauf immer mehr blutige Taschentücher, auch schon mal größere Blutflecken auf dem Boden.

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Dass es sich hierbei nicht nur um „Grippe“ handelte, wird schnell klar, wenn man im Verlauf feststellt, dass elektronische Geräte (oder Autos) nicht mehr funktionierten. Die Stimmung ist irgendwie seltsam. Und seltsamer wird es, als plötzlich tote Vögel überall herumliegen. Was geschieht denn nun? Langsam macht mich das Spiel paranoid. Ich hör Stimmen, wo keine sein sollten. Ich laufe blind umher, um irgendwie Anhaltspunkte zu finden… oder irgendeinen Strang, der mich weiter führt. Das Irrlicht ist nicht immer eine Hilfe. Manchmal führt es mich an Orte, an denen ich schon war… weil es sich anscheinend selbst verfolgen hat… denn es wendet plötzlich und fliegt in eine ganz andere Richtung. Und mit Laufen hab ich’s nicht so. Ich bin eher der Spaziergängertyp, was bei dem weitläufigen Areal allerdings sehr unkommod ist.

Plötzlich fängt es an zu Regnen. Ich verstecke mich mal hier im Wohnwagen und warte, bis das Gewitter vorbei ist… oder… ist es am Ende auch mit mir vorbei…?

ZERO – FIVE – SIX -ONE – ZERO – ONE – ONE

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Drücke R2 zum… etwas schneller gehen

Everybody’s Gone To The Rapture einen Laufsimulator zu nennen, ist wohl weit übertrieben, was wohl an der Tatsache liegt, dass man überhaupt nicht laufen kann. Und selbst wenn man die R2 Taste gedrückt hält, steigt die Geschwindigkeit nur gemächlich an (abgesehen davon, gibt es Szenen im Spiel, in denen man absichtlich ausgebremst wird). Grundsätzlich ist man schon eher langsam unterwegs, aber: Die Landschaft ist so wunderschön! Sollte es mich tatsächlich mal nach Südengland führen, dann werd ich Shropshire (das gibt’s wirklich) einen Besuch abstatten.

Viel Interaktion gibt es wahrlich nicht. Hauptsächlich öffnet man mit X Türen, oder betätigt Radios und Telefone. Mit den Irrlichtern interagiert man, wenn es erforderlich ist, durch das Kippen des DualShock Controllers in die Richtung, bis es vibriert, um eine „Erinnerung“ aufzurufen. Und… das war’s auch schon mit der Interaktion in Everybody’s Gone To The Rapture.

Die Geschichte wird durch die erwähnten und überall in der Landschaft verstreuten Telefone und Radios erzählt, sowie über die Irrlichter, die man aktiviert. Des Weiteren gibt es Schlüsselszenen, die allein durch das Betreten eines bestimmten Areals oder Zone automatisch ablaufen.

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In den kurzen Gesprächsschnipseln, erfährt man häppchenweise über die „Schlüsselfiguren“ im Spiel. Entweder haben sie direkt etwas mit der „Erscheinung“ zu tun, oder sind enger mit jenen „Hauptfiguren“ liiert. Neben der Hauptgeschichte, also die „mysteriöse Krankheit“ die alle Menschen (und Tiere) befällt, erfährt man noch so einiges an „Small Talk“. So erfährt man viel über die Beziehungen der Dorfbewohner, teils gespickt mit Missgunst, Mord, Betrug, oder gar Liebe.

Die Story baut sich eher langsam auf. Langsamkeit scheint in Everybody’s Gone To The Rapture in großes Thema zu sein. Anfangs stolpert man auch nur planlos umher. Durchsucht die Gegend, klopft an jede Tür, ob sie sich öffnen lässt, lauscht nach Radios, oder klingelnden Telefonen. Fernsehapparate geben komische Nummernfolgen von sich. Muss man sich diese merken? Was hat das auf sich?

Auch das Irrlicht, das einen ständig begleitet, scheint zunächst wahllos durch die Gegend zu fliegen. Oft bin ich in irgendeine Richtung gelaufen. Minutenlang! Nur um festzustellen, dass das jetzt absoluter Käse war. Qualvoll, läuft man dann den Weg wieder zurück.

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Dann aber, wenn Everybody’s Gone To The Rapture „an Fahrt“ gewinnt, wird auch das Irrlicht aktiver. Teilweise hatte ich das Gefühl, dass es ungeduldig wird. Wild umher schwirrt, wenn ich nicht gleich in die richtige Richtung laufe. Der DualShock Controller vibriert, wenn ich eine „wichtige Szene“ übereilt verlassen möchte. Mehr und mehr, hab ich das Gefühl, dass das Licht stärker mit mir kommunizieren möchte, mich führen will… oder vielleicht sich mit mir vereinen? Das Ding ist, dass man nicht wirklich weiß, wer man ist, warum man in dem Dorf ist, was für eine Aufgabe man hat. Ist man mehr, als nur ein zufälliger Besucher?

Abgesehen von den merkwürdigen Ereignissen, gibt es in Yaughton und der näheren Umgebung wahnsinnig viel zu sehen (wenn gleich man auch nicht wahnsinnig viel machen kann). Man streift durch Felder, läuft über Wiesen, genießt den Ausblick, bewundert das Wasser (und sämtliche Wasseranimationen im Spiel) und sucht nach versteckten Hinweisen. Die Lichteffekte sind für einen kleinen Titel wie EGTTR schon atemberaubend gut. Vor allem die Tageszeitenwechsel. Insgesamt eignet sich das Spiel auch hervorragend für VR Headset Systeme, wie etwa Project Morpheus (könnte ich mir zumindest gut vorstellen). Man taucht… sofern man sich darauf einlässt… mehr und mehr in die Landschaft und in die Geschichte ein, die zum Ende hin mehr und mehr philosophisch wird und teilweise hatte, ich dann doch bei gewissen Situationen einen Kloß im Hals stecken.

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Fazit:

Everybody’s Gone To The Rapture ist nicht wirklich ein „Spiel“ im klassischen Sinne. Mehr eine… halbwegs… interaktive, sehr dramatische Geschichte, die nachdenklich stimmt. All jene, die wenig Geduld haben, werden wohl nicht wirklich zufrieden sein. Lässt man sich, wie gesagt, auf den entschleunigten „Lauf-Simulator“ ein, erlebt man eine wirklich wunderbar erzählte Story, mit guten Sprechern, einer nicht wirklich High-End-Grafik, aber immerhin mit bezaubernden Lichteffekten und tiefgründigen Nachgedanken. Bei all den philosophischen Dingen, die uns Everybody’s Gone To The Rapture auftischt, bleibt es freilich jedem selbst überlassen, diese für sich persönlich zu interpretieren.

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Solche Spiele lohnen sich allemal, wenn man die Nase ein wenig voll vom Einheitsbrei hat. Rein vom „künstlerischen“ Anspruch her, ist Everybody’s Gone To The Rapture nach langer Zeit mal wieder ein absolut spielenswerter Titel! Schön und schön dramatisch.

Ohne spoilern zu wollen, aber den Schluss überlasse ich mal einem Zitat aus 2001: Odyssee im Weltraum:
„Mein Gott, es ist voller Sterne.“

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